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Archive for Juli 2008

Es lohnt sich, Agnes Miegels Gedichte erneut zu lesen und in Bodo Heimanns Bändchen zu vergleichen, wie er sie unter neuen Gesichtspunkten liest und interpretiert.
Das Gedicht „Die Frauen von Nidden“ zum Beispiel kennt wohl jeder, der sich mit den Werken Agnes Miegels befasst. Jeder erinnert sich, dass die Pest alle Dorfbewohner von Nidden dahinrafft. Nur sieben alte Frauen leben. Sie wissen aber nicht, wie sie überleben können, sie legen sich gemeinsam in den Sand der Wanderdüne und erwarten dort ihren Tod. Jeder versteht den Inhalt, was bei Agnes Miegel nicht selbstverständlich ist.
Bodo Heimann hat noch darüber hinausgehende interessante Aspekte erarbeitet. Symbole weisen auch auf die alte Götterwelt hin. Es gibt keinen Pfarrer mehr, also beten sie zum „Mütterchen“ (Erde), hier zur Düne.
„…Schlage uns still ins Leichentuch,
Du unser Segen, einst unser Fluch. –
[…] und die Düne kam und deckte sie zu.“
„Bemerkenswert ist hier die Abwendung vom christlichen Vatergott und die Hinwendung zu einer Mutterfigur.“ So Heimann.
In diesem und anderen Gedichten und Balladen widmet er sich der Mystik, der Darstellung der alten Götter aus der Zeit vor der Christianisierung, Götter aus der griechischen Mythologie und besonders der Götter der Prußen. Agnes Miegel benennt sie auch als „Preußengötter“, zum Beispiel in dem Gedicht „Mainacht“. Gemeint ist damit vor allem der Gewittergott Perkun. Hier und in anderen Gedichten stellt Heimann den Bezug zu den „ungestorbenen alten Göttern“ (Kurt Hohoff) her.
„Die Erde spricht“ ist der Titel des ersten Vortrags in dem kleinen Bändchen, das die Agnes-Miegel-Gesellschaft als Jahresgabe 2008 herausgegeben hat.
Und in dem gleichnamigen Gedicht läßt die Dichterin die Erde in der „Ich-Form“ sprechen und von der Geschichte der Menschheit berichten. Heimann bezeichnet die Erde als „mythisch personifizierte große Muttergestalt“.

Im zweiten Vortrag nennt Heimann die Dichterin eine „Weltbürgerin der Poesie“, die sich für die Vielfalt fremder Kulturen begeisterte. Da geht es um Figuren aus der antiken Welt und der Geschichte, Athene, Kleopatra, Demeter, Arachne, Leda oder Augustus hat sie besungen. Aber sie hat sich auch in die Gedanken der Kaiser-Mutter von China hineinversetzt, die in einer Dschunke den gelben Fluss hinunter fährt und an ihre eigene Vergangenheit zurück denkt („Chinesische Liedchen“) Es finden sich Motive aus Indien („Die Götter Indiens“) oder dem Orient („Scheherasade“). Es geht um die französische Revolution, aber auch wiederum um Agnes Miegels Sympathie für der Götter der Prußen, hier aufgezeigt am Beispiel der Ballade „Herzog Samo“.
Heimann hat seine Gedanken zu all den erwähnten Werken gut verständlich und interessant niedergeschrieben. Er hebt dabei immer wieder Agnes Miegels Sympathie für die Opfer der Geschichte hervor. „Vermutlich ist für Agnes Miegel bei der Wahl der Figurenperspektive nicht so sehr die Volkszugehörigkeit, als vielmehr die menschliche Qualität der jeweiligen Person entscheidend“, schreibt er.
Heimann betont ausdrücklich, ihre Gedichte sind von der persönlichen, menschlichen Situation her zu verstehen. In diesem Sinne betet Agnes Miegel in dem bekannten Spruch zu unserem Christen-Gott:
„…Lehrtest mich täglich neue
nichts als den Hass zu hassen!“

Sirgune Piorreck

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