Neueste Forschung und Erlebnis der Dichtung
Agnes-Miegel-Tage 13. bis 15. März 2009 in Bad Nenndorf
Das erklärte Ziel der Agnes-Miegel-Gesellschaft, das Werk der Dichterin im Bewusstsein der Öffentlichkeit zu bewahren, darf man bei den diesjährigen Agnes-Miegel-Tagen getrost als erreicht betrachten. Denn nicht selbstverständlich ist das Gelingen des Spagats zwischen literaturwissenschaftlichem Anspruch und allgemeiner Vermittelbarkeit literarischer Zusammenhänge. Bei der Veranstaltung wurde sowohl neuste Forschung präsentiert als auch Agnes Miegels Werk selber dem interessierten Zuhörer in Lesungen und Rezitationen plastisch nahegebracht.
Gleich zu Beginn wurde die lange erwartete Edition der Briefe Agnes Miegels an ihre Dichterkollegin und Freundin Lulu von Strauß und Torney vorgestellt. Damit steht nun eine der bedeutendsten dichterischen Korrespondenzen der Jahrhundertwende erstmals gedruckt der wissenschaftlichen Öffentlichkeit zur Verfügung. Jedoch dürfen sich neben den Literaturwissenschaftlern gerade auch die Liebhaber der Werke beider Dichterinnen auf die völlig neuen Einblicke in Agnes Miegels Gedankenwelt und ihr Verhältnis zu Lulu von Strauß und Torney freuen. Der ausführliche und sachkundige Kommentar ist der Herausgeberin und Vorsitzenden der Agnes-Miegel-Gesellschaft, Dr. Marianne Kopp, und ihrem Mitherausgeber Ulf Diederichs zu verdanken.
Ein weiteres biographisches Schlaglicht auf Aspekte von Agnes Miegels Leben warf der Londoner Historiker Dr. Rudolf Muhs mit seinem Vortrag über die „Nicht-Beziehung“ zwischen der Dichterin und ihrem Bewunderer, dem Philologen Paul von Winterfeld. Winterfeld hatte Agnes Miegel, der er niemals persönlich begegnet war, in deren Gedichten er aber die Schmerzen einer verwandten Seele zu entdecken glaubte, mit ins Krankhafte gesteigerter Vehemenz bedrängt; bis sogar hin zur Morddrohung, nachdem seine Avancen vehement ignoriert worden waren. Zwar starb er in einem Sanatorium, jedoch wurde sein Tod gemeinhin auf die Abweisung der „grausamen Dichterin“ zurückgeführt.
Neben den rein geschichtlichen Ausführungen verwies der Referent besonders auf die immense Wirkung der „Affäre Winterfeld“ auf die Miegel-Rezeption und die diskursanalytische Dimension der öffentlichen Wahrnehmung einer Frau im frühen zwanzigsten Jahrhundert, die einen bedeutenden Wissenschaftler abweist.
Unter den übrigen Programmpunkten stachen besonders zwei heraus. Zum einen war dies die Präsentation zweier Tonbandinterviews, Gespräche mit Agnes Miegel in ihrer Altersheimat Bad Nenndorf . Trotz altersgebrochener Stimme zeigte sich die Dichterin selbstironisch, gegenwartskritisch und begabt mit einer großen geistigen Wendigkeit sowie rhetorischer Eloquenz. Es berührte die im Saal anwesenden Zuhörer nachvollziehbar, durch sie wenig bekannte Züge im Wesen der Dichterin aufschimmern zu sehen.
Einen weiteren Akzent setzte Annemete Jacques mit ihren Rezitationen von Gedichten des mit Agnes Miegel persönlich wie literarisch eng verbundenen Freiherrn Börries von Münchhausen. Eindringlich und präzise, ohne jemals in ein falsches Pathos zu verfallen, sprach die Großnichte des Freiherrn ihr Programm, bestehend aus bekannten wie entlegenen Münchhausenschen Balladen und lyrischen Gedichten. Gerade auch ihre kenntnisreichen Erläuterungen zum Leben des Dichters und zu den historischen Umständen, untermalt durch zahlreiche Familienfotos, machten den Besuch dieses Vortrags besonders lohnend.
Die Vielfalt des gebotenen Programms und die qualitativ hochwertigen Beiträge machten die Teilnahme an den Agnes-Miegel-Tagen zu einem gewinnbringenden und kurzweiligen Unterfangen. Man darf schon heute gespannt sein, welche neuen Einblicke in Leben und Werk der großen ostpreußischen Dichterin sich im nächsten Jahr ergeben werden.
Sebastian Harms Bolte M. A.
PRESSE-STIMMEN
Agnes Miegel wie sie keiner kennt.
Marianne Kopp stellt im Hotel Hannover die „Briefe an Lulu“ vor.
Bad Nenndorf. (rwe) Die Agnes-Miegel-Gesellschaft hat gestern ihre Agnes-Miegel-Tage im „Hotel Hannover“ eröffnet. Und passend zum 130. Geburtstag der Dichterin konnte Vorsitzende Marianne Kopp das von ihr und dem Verleger Ulf Diederichs herausgegebene Buch präsentieren. „Als wir uns fanden, Schwester, wie waren wir jung“ zeigt Agnes Miegel von einer Seite, die auch die Mitglieder kaum kennen dürften.
In dem Werk hat Kopp mit viel Akribie die Briefe Miegels an die Bückeburgerin Lulu von Strauß und Torney zusammen getragen und aufgearbeitet. Und was die Bad Nenndorfer Ehrenbürgerin ihrer Freundin zwischen 1901 und 1922 schrieb, klingt laut Kopp „so ganz anders“ als ihre Gedichte und Beiträge im Feuilleton. „Humor, Selbstironie und Temperament“ machten die Sammlung zu einer „vergnüglichen Lektüre“.
Mehr zum Buch „Briefe an Lulu“ können Interessierte im „Hotel Hannover“ erfahren, wo die Miegel-Tage heute um 10 Uhr mit der Mitgliederversammlung beginnen. …
(aus den „Schaumburger Nachrichten“ vom 14. März 2009)
Erinnerungen, Balladen, viel Gefühl.
Dichterin Agnes Miegel hinterlässt lyrische Handschriften.
Bad Nenndorf (Ka.) […] Bei der Vorstellung des neuen Buches „Als wir uns fanden, Schwester, wie waren wir jung“ standen die Briefe Agnes Miegels an Lulu von Strauß und Torney aus den Jahren 1901 bis 1922 im Mittelpunkt. Sie bekunden eine unverbrüchliche Freundschaft, die die Vorsitzende Marianne Kopp in Zusammenarbeit mit Ulf Diederichs zusammenfasste. […] Die Gedenkfeier am Grab Agnes Miegels war ein weiterer Höhepunkt des Zusammentreffens. Dr. Kopp würdigte das Lebenswerk, dessen Auszeichnung durch die Bayerische Akademie der Schönen Künste vor genau 50 Jahren erfolgte. Dieser Literaturpreis im Jahre 1959 bedeutete für Agnes Miegel nicht zuletzt auch Rehabilitation nach den Jahren der Verfemung, die sie nach ihrer Flucht aus Ostpreußen erlitten hatte. Der Vortrag von Herrn Dr. Muhs (London) wurde mit Spannung erwartet. Schon vor drei Jahren wusste er sehr lebhaft aus der Zeit Agnes Miegels in Bristol zu berichten. Sein diesjähriger Beitrag „Agnes Miegel und Paul von Winterfeld – eine folgenschwere Nichtbeziehung“ eröffnete ganz neue Perspektiven. Eine verschmähte Liebe, die Paul von Winterfeld bis zu seinem Tod im Herzen behielt. Mit Rezitationen begeisterte Annemete Jacques, eine Großnichte des Dichters Börries von Münchhausen. …
(aus dem „Wochenblatt“ vom 28.3.2009)