In der aktuellen öffentlichen Kontroverse um Agnes Miegel geht es nicht um ihre Bedeutung als Dichterin des 20. Jahrhunderts, deren Schaffenszeit fast sieben Jahrzehnte umspannte, sondern einzig um ihre Stellung innerhalb der 12 Jahre der NS-Diktatur. Viele Journalisten, Germanisten und Historiker führen diese Auseinandersetzung mit Methoden, deren Seriosität fragwürdig ist.
So möchte ich an dieser Stelle einmal die Maximen wissenschaftlichen Arbeitens nennen, die grundsätzlich und insbesondere bei diesem Thema unabdingbar sind.
1. Seriöses wissenschaftliches Arbeiten sollte ergebnisoffen und ohne Parteilichkeit durchgeführt werden. Wer eine vorgefasste Meinung belegen und „beweisen“ will, arbeitet nicht wissenschaftlich objektiv.
2. Behauptungen müssen durch möglichst genaue Quellen gestützt werden. Nur sorgfältige Recherchen können zu einigermaßen differenzierten Ergebnissen führen. Gerade bei biografischen Arbeiten muss man sich aber bewusst machen, dass man nur Mosaiksteine zusammenfügen, jedoch kein lückenloses Gesamtbild rekonstruieren kann.
3. Wer nur die (oft unbewiesenen und sachlich falschen!) Behauptungen anderer als Autoritäten zitiert, betreibt keine wissenschaftliche Suche nach der historischen Wahrheit, sondern Manipulation.
4. SAPERE AUDE! Diese Maxime des Königsberger Philosophen Immanuel Kant sei jedem Forscher ans Herz gelegt. Sie besagt: Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen, bilde dir selbst ein Urteil, sei kritisch, lass dich nicht manipulieren…
5. Zitate und Fakten müssen in ihrem historischen Kontext betrachten werden. In Bezug auf die NS-Zeit bedeutet das vor allem, dass man Worte und Handlungen, die aus diesen Jahren belegt sind, nicht aus der Schau von heute beurteilen darf, nicht aus dem Mehrwissen über die Zeit nach 1945 oder mit aller pauschalierenden Unkenntnis über die tatsächlichen Verhältnisse und Lebensbedingungen für die Menschen in jener Zeit.
Dr. phil. Marianne Kopp