Bericht von den Miegel-Tagen 23.03.bis 24.03.2012
Von Sirgune Piorreck
Viel Applaus ernteten die beiden Schülerinnen der KGS (Kooperative Gesamtschule) Brinkum Pia Leimke und Tanja Rudeck für ihre natürliche, frische Art, ihren Vortrag zum Thema „Agnes Miegels Haltung zum Nationalsozialismus 1933 bis 1945“ zu präsentieren. Wie in anderen Orten auch, geht es um die Frage: Ist es noch zeitgemäß, Agnes-Miegel-Straßen ihren Namen zu belassen? Eine Namensänderung wird auch in Stuhr-Brinkum diskutiert. An der KGS besteht ein Projektkurs „Spurensuche“.
Zur Entscheidungshilfe beauftragten die Kommunalpolitiker nun den Kurs, diese Frage wissenschaftlich zu untersuchen. Zwölf Kleingruppen beschäftigten sich mit dem Thema. Man merkte, dass neben den vielen einseitigen Internetdarstellungen auch einige Argumente für die Beibehaltung des Namens, die Dr. Marianne Kopp und Annemete v. Vogel, 1. und 2. Vorsitzende der Agnes-Miegel-Gesellschaft, im Rahmen der Teilnahme an einer Unterrichts-Doppelstunde in Brinkum vorgetragen hatten, übernommen wurden. Das richtige Urteil zu fällen sei sehr schwierig. Sie seien schließlich zu dem Schluss gekommen, dass „Agnes-Miegel eine nationalsozialistische Heimatdichterin war“. Wie die Entscheidung hinsichtlich der Umbenennung der Agnes-Miegel-Straße ausfallen wird, ist weiter offen. Anschließend stellten sich die beiden Schülerinnen noch bereitwillig den Fragen der Besucher.
Viel Beifall fand auch der Vortrag von Dirk Herrmann, M.A.(Dresden) „Lust, Leid und Lachen, wie ich’s grad gefunden /Zu einem bunten Strauß hab ich’s gebunden“. Zu Agnes Miegels erstem Gedichtband 1901.
Agnes Miegel war damals 22 Jahre alt.
Dieser herzerfrischende Vortragstitel aus dem ersten Gedicht „Eva“ aus diesem Bändchen ist zugleich Motto für Herrmanns Ausführungen.
Er begann mit einem Zitat: „Frauen dichten anders“ von Marcel Reich-Ranicki. Herrmann stellte dar, dass nicht „Lust und Lachen“, sonders das „Leid“ in der frühen Dichtung überwog. Es ginge oft um den Tod, besonders eindrucksvoll im „Mädchengebet“, um den „Tod des Angebeteten, für den Fall dass er ‚eine andere freit‘. “
Er führte aus, dass die Rose als „Symbol der Liebe“ auch Dornen habe, die „weh tun und Wunden hinterlassen.“
Dann analysierte Herrmann Gedichte und Balladen um biblische und historische Frauengestalten, die „oftmals als Opfer bestimmter Zwänge und Konventionen“ dargestellt seien, u.a. „Abisag von Sunem“ oder „Mary Stuart“.
Viele Gedicht-Zitate erfreuten die Zuhörer und weckten Erinnerungen.
Anregend und fröhlich bewegt war vor allem der Auftritt der Kindertrachtentanzgruppe „Dae Aalaester Maikens“ (Leitung Renate Gewers) in alten bunten Trachten. Besonderer Applaus wurde der vierjährigen Hermine gespendet, die zum erstenmal auftreten durfte. Sophie Mensching zeigte dann ihre prächtigen Trachten, die „Roten Röcke in Schaumburg“ aus Familien-Besitz, ergänzt durch viele Geschichten dazu, unterbrochen von Lyrik und Prosa von Agnes Miegel zum Thema: „Land, so schön geschmückt wie eine reiche, junge Rotrockfrau…“. Sie wurden vorgetragen durch Annemete v. Vogel und Dr. Marianne Kopp, die ebenfalls mit Applaus für die gelungene Tagung bedacht wurde.
Bericht von den Agnes-Miegel-Tagen 11.-12. März 2011:
Agnes Miegels erste Italienreise 1911 und ihr umstrittener Name heute
In diesem Jahr durften die Besucher der Agnes-Miegel-Tage einmal die unbekannte, von Italien und den Italienreisen beeinflusste Seite Agnes Miegels kennenlernen. Denn unter dem italienischen Motto standen die meisten Beiträge. Bereits zur Eröffnung der Veranstaltung kam die Dichterin selber zu Wort: Dr. Marianne Kopp und Annemete von Vogel lasen zur Einstimmung und Einführung Briefe und Aufzeichnungen, die im Zusammenhang mit der Italienreise von 1911 entstanden waren.
Der Vortrag von Prof. Dr. Paul Leidinger aus Warendorf beschäftigte sich mit der Dichterin in der gegenwärtigen öffentlichen Diskussion. Er zeigte auf, dass in Agnes Miegels dichterischem Werk gerade keine Verherrlichung der menschenverachtenden nationalsozialistischen Ideologie zu finden ist – weder Fremdenhass noch Rassenwahn, weder Aufforderung zu einem Eroberungskrieg noch die Befürwortung von Gewalt. Damit fehlen die wesentlichen Merkmale der Blut- und Bodenliteratur. Immerhin: „Nichts als den Hass zu hassen“, war ihr Lebensbekenntnis.
Aufgrund von Agnes Miegels Anpassung an das nationalsozialistische Regime, welches die Ostpreußin für sich zu vereinnahmen verstanden hatte, wurden schon in der Vergangenheit Schulen und Straßen mit dem Namen der Dichterin umbenannt. Und diese Diskussion hält bis heute an; während die Befürworter der Umbenennungen argumentieren, dass „eine Person, die im Nationalsozialismus verstrickt war“, grundsätzlich keine Vorbildfunktion ausüben könne, verweist die andere Seite auf das bedeutende literarische Werk, die Unkenntnis der Dichterin um den tatsächlichen Charakter des Nationalsozialismus und ihre vollständige Entlastung beim Entnazifizierungsprozess nach 1945.
Auch im Rahmen des Vortrags kam es zu einer Diskussion. Zwei Bürger von Bad Nenndorf zitierten Passagen aus unter dem Einfluss des Nationalsozialismus entstandenen Gedichten – allerdings leider ohne den Kontext der Gesamtgedichte mit ganz anderem Schlusstenor zu berücksichtigen, was eine fundierte Analyse der Texte verhinderte.
Während die Vorsitzende und der Referent als Wissenschaftler die Auseinandersetzung und Diskussion begrüßten und souverän auf die kritischen Fragen zu antworten vermochten, schienen einige Teilnehmer mit dieser, wohl als persönlichen Angriff auf die Dichterin verstandenen, Kritik überfordert. Jedoch wurden auch sehr sachkundige Beobachtungen über prozessual zweifelhafte Vorgänge in Gemeinden mit Umbenennungsbestrebungen vorgetragen.
Da viele Menschen von der unsachlichen Propaganda gegen Agnes Miegel, wie sie von extremen Gruppierungen verbreitet wird, verunsichert sind, wird der literarisch fundierte Dialog mit Kritikern vermutlich zukünftig noch höhere Priorität einnehmen müssen. Herr Prof. Leidinger wies zum Schluss auch noch einmal darauf hin, wie notwendig es sei, Agnes Miegels wenige belastete Werke literaturwissenschaftlich aufzuarbeiten. Die Agnes-Miegel-Gesellschaft will mit ihrer demnächst erscheinenden Jahresgabe einen wesentlichen Beitrag dazu leisten.
Nach der spannenden Diskussion durften die Teilnehmer dann zum Abschluss der Tagung zwei weniger hitzige, aber umso lohnendere musikalische Veranstaltungen erleben. Im offenen Singen, geleitet von Pastor Adolf Höhle aus Neustadt/Rbge., konnte man schon einmal den Frühling begrüßen. Dem folgte der künstlerische Höhepunkt der Tagung; mit der in Italien verorteten Erzählung „Die Padrona erzählt“ lasen Dr. Marianne Kopp und Annemete von Vogel mit großer Ausdruckskraft eine der erstaunlich wenigen Dichtungen Agnes Miegels mit eindeutig italienischem Bezug. Inge Henke, die begleitend dazu mit ihrer ausdrucksvollen Sopranstimme Arien des italienischen Barock sang, wurde begleitet von typischen Instrumenten der Epoche (Violine, Violoncello, Cembalo) und schuf so für die Dichtung einen Rahmen, der den Erzählraum farbenprächtig zur Geltung brachte.
Das neue zeitliche Konzept, die Veranstaltung mit gleichem inhaltlichem Aufbau auf zwei (statt wie bisher auf drei) Tage zu komprimieren, hat sich als pragmatisch sinnvoll erwiesen. Es bleibt zu wünschen, dass auch im nächsten Jahr wieder ein so vielfältiges Programm gelingen möge.
Sebastian Harms Bolte M.A.
Bericht von den Agnes-Miegel-Tagen 12.-14.März 2010
Zur Einstimmung auf die diesjährige literarische Tagung im Hotel Hannover in Bad Nenndorf kam gleich die Dichterin selbst zu Wort. In einer Auswahl wenig bekannter autobiographischer Erzählungen über die eigene Jugendzeit, plastisch rezitiert von Annemete von Vogel und Dr. Marianne Kopp, erhielten die Zuhörer einen Einblick in die Bedeutung, die frühe Erlebnisse für Agnes Miegel bis ins hohe Alter hatten. Aus der Verbindung dieses Vortrages mit den von Dr. Kopp beigesteuerten Erläuterungen zum biographischen und literarischen Kontext, konnten die Zuhörer sich ein Bild von Agnes Miegels Gefühls- und Lebenswelt, sowohl während der Entstehungszeit der Schriften als auch während der liebevoll erinnerten Perioden, machen.
Als Gäste berichteten, zu der Verortung der Erinnerungen passend, zwei aus Königsberg/Kaliningrad angereiste Mitglieder der dortigen Agnes-Miegel-Gruppe, Frau Alina Abrakonowa und Herr Viktor Rjabinin von Veränderungen und Veranstaltungen in der Geburtsstadt der Dichterin.
Den wissenschaftlichen Vortrag mit dem Titel „Agnes Miegel: Erlebtes Radio – Der Ostmarkenfunk in Königsberg, ein Mittler und Förderer ostpreußischer Literatur“ übernahm in diesem Jahr Dr. Ulrich Heitger aus Hamm. Die Erkenntnis, wie sehr sich unser heutiger, von Massenmedien geprägter Alltag von der Zeit unterscheidet, in welcher das Radio gerade erst begann, in den Großstädten Einzug zu halten, machte wieder einmal die unbedingte Notwendigkeit der Erforschung eines historischen Kontextes zum Verständnis der in ihm entstandenen Literatur deutlich. Die tiefgehende und detaillierte Nachzeichnung dieser frühen Jahre des Radios verschaffte wertvolle Erkenntnisse über eine zwar eigentlich noch gar nicht so lange zurückliegende, uns jedoch bereits sehr fremd gewordene Zeit. Agnes Miegel selber stand dem damals neuen Medium zuerst ablehnend, später jedoch aufgeschlossener gegenüber – die Atmosphäre des Studios empfand sie bei den eigenen ersten Erfahrungen als Sprecherin als unangenehm. Später jedoch hörte sie zufällig bei einem Krankenhausaufenthalt die Stimme ihres Verlegers und Freundes Eugen Diederichs, bevor er krankheitsbedingt die Sprache verlor, zum letzten Mal über das Radio; und dieser Zufall versöhnte die Dichterin dann endgültig mit der vorher als unpersönlich wahrgenommenen Technik.
Als künstlerischen Höhepunkt der Veranstaltung präsentierten Annemete von Vogel als Rezitatorin und die Tanzgruppe Movimento unter der Leitung von Inge Henke eine besondere Verbindung von Dichtung und Tanz: Balladen mit höfischer Thematik von Agnes Miegel im Wechsel mit Tänzen der Renaissance. Dabei verstanden es die Tänzer in ihren historischen Kostümen, durch ihre Darbietung eine Atmosphäre zu schaffen, in der die eindrucksvolle Vortragskunst der Sprecherin Agnes Miegels Balladen dem Zuhörer so unmittelbar wie irgend möglich nahezubringen vermochte.
Besonders die Vielfalt des Programms ist zu loben: eine so gelungene Verbindung von dichterischer Lesung, künstlerischer Darbietung und wissenschaftlicher Auseinandersetzung ist bei Tagungen dieser Art selten anzutreffen. Gerade der diesjährige Vortrag macht die Notwendigkeit zahlreicherer Beiträge dieser Art deutlich – leider wird die literaturgeschichtliche Bedeutung Agnes Miegels von weiten Teilen der Wissenschaft noch immer gerne ignoriert, sodass die Bereitschaft zur fundierten Beschäftigung mit ihrem Werk selten anzutreffen ist. Umso freudiger wurde die offizielle Ankündigung der Veranstaltung der Agnes-Miegel-Gesellschaft im Oktober aufgenommen: dort nämlich sollen über drei Tage verteilt Vorträge zu unterschiedlichen mit der Dichterin in Zusammenhang stehenden Themen gehalten werden – man darf gespannt sein!
Sebastian Harms Bolte M. A.
Berichte von den Agnes-Miegel-Tagen 13. bis 15. März 2009
Neueste Forschung und Erlebnis der Dichtung
Das erklärte Ziel der Agnes-Miegel-Gesellschaft, das Werk der Dichterin im Bewusstsein der Öffentlichkeit zu bewahren, darf man bei den diesjährigen Agnes-Miegel-Tagen getrost als erreicht betrachten. Denn nicht selbstverständlich ist das Gelingen des Spagats zwischen literaturwissenschaftlichem Anspruch und allgemeiner Vermittelbarkeit literarischer Zusammenhänge. Bei der Veranstaltung wurde sowohl neuste Forschung präsentiert als auch Agnes Miegels Werk selber dem interessierten Zuhörer in Lesungen und Rezitationen plastisch nahegebracht.
Gleich zu Beginn wurde die lange erwartete Edition der Briefe Agnes Miegels an ihre Dichterkollegin und Freundin Lulu von Strauß und Torney vorgestellt. Damit steht nun eine der bedeutendsten dichterischen Korrespondenzen der Jahrhundertwende erstmals gedruckt der wissenschaftlichen Öffentlichkeit zur Verfügung. Jedoch dürfen sich neben den Literaturwissenschaftlern gerade auch die Liebhaber der Werke beider Dichterinnen auf die völlig neuen Einblicke in Agnes Miegels Gedankenwelt und ihr Verhältnis zu Lulu von Strauß und Torney freuen. Der ausführliche und sachkundige Kommentar ist der Herausgeberin und Vorsitzenden der Agnes-Miegel-Gesellschaft, Dr. Marianne Kopp, und ihrem Mitherausgeber Ulf Diederichs zu verdanken.
Ein weiteres biographisches Schlaglicht auf Aspekte von Agnes Miegels Leben warf der Londoner Historiker Dr. Rudolf Muhs mit seinem Vortrag über die „Nicht-Beziehung“ zwischen der Dichterin und ihrem Bewunderer, dem Philologen Paul von Winterfeld. Winterfeld hatte Agnes Miegel, der er niemals persönlich begegnet war, in deren Gedichten er aber die Schmerzen einer verwandten Seele zu entdecken glaubte, mit ins Krankhafte gesteigerter Vehemenz bedrängt; bis sogar hin zur Morddrohung, nachdem seine Avancen vehement ignoriert worden waren. Zwar starb er in einem Sanatorium, jedoch wurde sein Tod gemeinhin auf die Abweisung der „grausamen Dichterin“ zurückgeführt.
Neben den rein geschichtlichen Ausführungen verwies der Referent besonders auf die immense Wirkung der „Affäre Winterfeld“ auf die Miegel-Rezeption und die diskursanalytische Dimension der öffentlichen Wahrnehmung einer Frau im frühen zwanzigsten Jahrhundert, die einen bedeutenden Wissenschaftler abweist.
Unter den übrigen Programmpunkten stachen besonders zwei heraus. Zum einen war dies die Präsentation zweier Tonbandinterviews, Gespräche mit Agnes Miegel in ihrer Altersheimat Bad Nenndorf . Trotz altersgebrochener Stimme zeigte sich die Dichterin selbstironisch, gegenwartskritisch und begabt mit einer großen geistigen Wendigkeit sowie rhetorischer Eloquenz. Es berührte die im Saal anwesenden Zuhörer nachvollziehbar, durch sie wenig bekannte Züge im Wesen der Dichterin aufschimmern zu sehen.
Einen weiteren Akzent setzte Annemete Jacques mit ihren Rezitationen von Gedichten des mit Agnes Miegel persönlich wie literarisch eng verbundenen Freiherrn Börries von Münchhausen. Eindringlich und präzise, ohne jemals in ein falsches Pathos zu verfallen, sprach die Großnichte des Freiherrn ihr Programm, bestehend aus bekannten wie entlegenen Münchhausenschen Balladen und lyrischen Gedichten. Gerade auch ihre kenntnisreichen Erläuterungen zum Leben des Dichters und zu den historischen Umständen, untermalt durch zahlreiche Familienfotos, machten den Besuch dieses Vortrags besonders lohnend.
Die Vielfalt des gebotenen Programms und die qualitativ hochwertigen Beiträge machten die Teilnahme an den Agnes-Miegel-Tagen zu einem gewinnbringenden und kurzweiligen Unterfangen. Man darf schon heute gespannt sein, welche neuen Einblicke in Leben und Werk der großen ostpreußischen Dichterin sich im nächsten Jahr ergeben werden.
Sebastian Harms Bolte M. A.
PRESSE-STIMMEN
Agnes Miegel wie sie keiner kennt.
Marianne Kopp stellt im Hotel Hannover die „Briefe an Lulu“ vor.
Bad Nenndorf. (rwe) Die Agnes-Miegel-Gesellschaft hat gestern ihre Agnes-Miegel-Tage im „Hotel Hannover“ eröffnet. Und passend zum 130. Geburtstag der Dichterin konnte Vorsitzende Marianne Kopp das von ihr und dem Verleger Ulf Diederichs herausgegebene Buch präsentieren. „Als wir uns fanden, Schwester, wie waren wir jung“ zeigt Agnes Miegel von einer Seite, die auch die Mitglieder kaum kennen dürften.
In dem Werk hat Kopp mit viel Akribie die Briefe Miegels an die Bückeburgerin Lulu von Strauß und Torney zusammen getragen und aufgearbeitet. Und was die Bad Nenndorfer Ehrenbürgerin ihrer Freundin zwischen 1901 und 1922 schrieb, klingt laut Kopp „so ganz anders“ als ihre Gedichte und Beiträge im Feuilleton. „Humor, Selbstironie und Temperament“ machten die Sammlung zu einer „vergnüglichen Lektüre“.
Mehr zum Buch „Briefe an Lulu“ können Interessierte im „Hotel Hannover“ erfahren, wo die Miegel-Tage heute um 10 Uhr mit der Mitgliederversammlung beginnen. …
(aus den „Schaumburger Nachrichten“ vom 14. März 2009)
Erinnerungen, Balladen, viel Gefühl.
Dichterin Agnes Miegel hinterlässt lyrische Handschriften.
Bad Nenndorf (Ka.) […] Bei der Vorstellung des neuen Buches „Als wir uns fanden, Schwester, wie waren wir jung“ standen die Briefe Agnes Miegels an Lulu von Strauß und Torney aus den Jahren 1901 bis 1922 im Mittelpunkt. Sie bekunden eine unverbrüchliche Freundschaft, die die Vorsitzende Marianne Kopp in Zusammenarbeit mit Ulf Diederichs zusammenfasste. […] Die Gedenkfeier am Grab Agnes Miegels war ein weiterer Höhepunkt des Zusammentreffens. Dr. Kopp würdigte das Lebenswerk, dessen Auszeichnung durch die Bayerische Akademie der Schönen Künste vor genau 50 Jahren erfolgte. Dieser Literaturpreis im Jahre 1959 bedeutete für Agnes Miegel nicht zuletzt auch Rehabilitation nach den Jahren der Verfemung, die sie nach ihrer Flucht aus Ostpreußen erlitten hatte. Der Vortrag von Herrn Dr. Muhs (London) wurde mit Spannung erwartet. Schon vor drei Jahren wusste er sehr lebhaft aus der Zeit Agnes Miegels in Bristol zu berichten. Sein diesjähriger Beitrag „Agnes Miegel und Paul von Winterfeld – eine folgenschwere Nichtbeziehung“ eröffnete ganz neue Perspektiven. Eine verschmähte Liebe, die Paul von Winterfeld bis zu seinem Tod im Herzen behielt. Mit Rezitationen begeisterte Annemete Jacques, eine Großnichte des Dichters Börries von Münchhausen. …
(aus dem „Wochenblatt“ vom 28.3.2009)
Berichte über die Agnes-Miegel-Tage 2008
Agnes-Miegel-Tage 2008. Rückblick
Die diesjährigen Agnes-Miegel-Tage standen in den vorausgehenden Wochen unter dem Damoklesschwert einer breit im Internet angekündigten Demonstration der „Antifaschisten“. Was würde auf uns zukommen? Mit scharfen Angriffen gegen die Dichterin und eine angebliche Verherrlichung durch die Agnes-Miegel-Gesellschaft wurden Nachrichten verbreitet, die völlig einseitig und mit sachlichen Fehlern Zusammenhänge mit der Nazizeit darstellten, in einem Stil, der eigentlich verbietet, sich damit zu befassen. Ein Großaufgebot der Polizei sollte die Demonstration überwachen, aber auch die Tagung der Agnes-Miegel-Gesellschaft schützen. Am 1. März zog ein heftiger Sturm mit ständigen Unwettern über Norddeutschland, so dass die Demonstrantenschar nicht über 70 anwuchs. Der Lärm ihrer wortgewaltigen Schlusskundgebung in Sichtweite des Hotels Hannover drang jedoch kaum durch die Mauern, und so konnte die geplante Nachmittagsveranstaltung pünktlich beginnen. Hatten hier die alten Preußengötter ihre Hand im Spiel gehabt?
In dem ersten literarischen Vortrag der Tagung spielten sie jedenfalls eine Rolle: „Natur und Mythen in Agnes Miegels Lyrik“ war der Titel, unter dem Dr. Bodo Heimann, Kiel, die Veranstaltungsreihe eröffnete und Beispiele zeigte, wie Naturerscheinungen mit Mythen und Sagen verschiedener Kulturen in Agnes Miegels Lyrik verwebt wurden, welche verborgene Symbolik in manchem Gedicht steckt, und wo auch Form, Metrik und Stil von historischen Vorbildern inspiriert wurden.
In seinem zweiten, literaturwissenschaftlich ebenfalls hochinteressanten Vortrag stellte Dr. Heimann Agnes Miegel als Weltbürgerin der Poesie vor und zeigte die kulturelle Vielfalt in Agnes Miegels Gedichten auf. Erstaunlich, in wieviele Kulturen anderer Länder und anderer Epochen sie aufgreift, immer das Menschliche ihrer Helden darstellend, immer sich auf die Seite der Schwächeren stellend. Die Zuhörer lernten, dass „Herzog Samo“ im Klagerhythmus fünffüßiger Trochäen geschrieben ist. Es wurde klar, dass diese Ballade alles andere ist als eine Verherrlichung der Landnahme im Osten, vielmehr eine Anklage gegen die Ordensritter. Bodo Heimann schloss mit einem Resümee der heutigen Agnes-Miegel-Rezeption und gab Anregungen, wie die Dichterin wieder einen angemessenen Platz in der Wahrnehmung durch Wissenschaft und Publikum erhalten kann. – Der Wortlaut beider Vorträge steht in der Jahresgabe 2008.
Agnes Miegels eigene Stimme konnten die Besucher der Abendveranstaltung am Freitag hören, in der ein langes Rundfunkinterview von 1959 abgespielt wurde. Sie schritt im Gespräch durch ihr langes Leben. Aufhorchen ließ der Satz: „Ich kann eben ganz anders an meine Heimat denken, ohne jede Bitterkeit, nur mit Dank, nur mit Liebe, …“. Dann wünschte sie den Menschen, die jetzt dort angesiedelt wurden, dass sie dort glücklich werden.
Die Jahreshauptversammlung der Mitglieder war die Kernveranstaltung der Tagung. Den Berichten über Vorstandstätigkeit und Kasse folgten die Vorstandswahlen. Die 1. Vorsitzende, Dr. Marianne Kopp, und der Schriftführer, Dr. Einhart Werhahn, wurden wiedergewählt. Als 2. Vorsitzende wurde Annemete Jacques gewählt, Schatzmeister wurde Ludwig Kast. – Das Gedenken am Grabe Agnes Miegels sollte zunächst vorgezogen werden, um die zeitliche Nähe zur Demonstration zu vermeiden, fand dann aber wegen des strömenden Regens und des Sturmes in feierlicher Atmosphäre im Saale statt.
Die Künstlerinnen aus Königsberg hatten nicht kommen können, so dass für Samstag Abend kurzfristig ein neues Programm erstellt werden musste. Darüber wird gesondert berichtet. – Wie immer schlossen die Agnes-Miegel-Tage am Sonntag mit einem Offenen Singen, geleitet von Karin Petersen in ihrer frischen, ansprechenden Art, mit einer schönen Liedauswahl. Zum Gelingen trug entscheidend das Agnes-Miegel-Ensemble bei, das mit Querflöte, Violine, Viola und Violoncello begleitete.
Die Zahl der Dauerteilnehmer der Tagung lag niedriger als in den vergangenen Jahren, die einzelnen Veranstaltungen waren hingegen gut besucht; der Büchertisch war ständig umlagert, das Hotel Hannover bot einschließlich seiner Restauration einen wunderbaren Rahmen.
Annemete Jacques
„Wie Agnes Miegel zum Dichten kam“
Wir Besucher der Agnes-Miegel-Tage 2008 wurden mit einer Programmänderung konfrontiert: kein Bunter Abend, sondern eine Lesung mit Kammermusik erwartete uns am Sonnabend im Hotel Hannover. Woher konnte man wissen, wie Agnes Miegel zum Dichten kam? So lautete der Titel der Veranstaltung. Die Dichterin selbst gab Auskunft darüber in ihren Texten „Frühe Begegnung“ und „Meine ersten Verse“. Annemete Jacques und Dr. Marianne Kopp lasen mit ihren unterschiedlichen Stimmfarben im Wechsel diese anschaulichen Berichte der Dichterin, die ihre Begegnung als Kind mit Volksliedern, Gedichten von Goethe und altnordischen Sagen schilderte. Neben unzulänglichem Gedichte Aufsagen in der Schule lernte sie dort mit Eifer die Gesetze der Metrik kennen und ließ ihre Phantasie immer öfter den Wortgestalten und den Balladenfiguren nachhängen, die bei Fontane und Annette von Droste-Hülshoff erschienen. Der Mädchenname dieser Dichterin ließ Agnes ahnen, dass es auch für ein Mädchen möglich wäre, so schöne Verse zu schaffen.
Als sie dann selbst einmal als Hausaufgabe ein Gedicht zu schreiben hat, ergibt sich ein schwieriger Entstehungsprozess, den Agnes Miegel genau beschreibt. Das in ihrer Empfindung kostbare kleine Produkt lässt sie auf höchste Anerkennung hoffen. Aber sie erlebt die bodenlose Enttäuschung, dass die Lehrerin es nicht im Entferntesten für möglich hält, dass das Kind die Aufgabe allein gelöst hat. Agnes verbrennt das Gedicht.
Im „Lied des Nöck“ erlebten wir nun keine Lesung mehr: Annemete Jacques trug die Erzählung frei vor und hatte so die Möglichkeit, die Zuhörer ganz lebendig an einem Schlüsselerlebnis des Kindes Agnes teilnehmen zu lassen. Nach recht praktischen Lebensplänen wies die überirdische Stimme eines berühmten Sängers dem Kind den Weg zur Kunst, der ihr Leben bestimmen sollte. Wir glaubten, die junge Agnes selbst zu hören.
Da wurden bei uns beiden Schwestern Kindheitserinnerungen wach, lebten wir doch nach dem Krieg einige Jahre unter demselben Dach mit Agnes Miegel in dem überbelegten Münchhausenschen Gutshaus in Apelern. Alle Not der Zeit nahmen wir Kinder nicht wahr, wenn die gütige alte Dame uns Kindern und anderen Bewohnern in gemütlicher Runde vorlas.
Stand die Musik im Zentrum der Geschichte um jenes erste Konzerterlebnis, so gliederte auch heute kostbare Kammermusik die Textdarbietungen. Annemete Jacques (Violoncello) hatte zwei junge Musikerinnen gewinnen können, um mit ihr eine Triosonate von J. J. Quantz zu spielen: Sabine Fehr aus Pulsnitz bei Dresden mit dem weichen Ton der Tenorblockflöte und Leonie Buntrock aus Neustadt/Rbge., die mit der sicher geführten Continuostimme ihres Cellos die rechte Stütze dazu gab. In einigen Sätzen aus Solosonaten von G.Ph. Telemann erstaunte Sabine Fehr mit ihrer Altblockflöte, die sie mit großer Virtuosität und Musikalität spielte, in schönem Zwiegespräch mit Annemete Jacques‘ Cellobegleitung. Für meine Schwester und mich und andere, mit denen wir darüber sprachen, wurde dieser Abend zum Höhepunkt der Tagung.
Pressebericht über die Agnes-Miegel-Tage 2008
aus den Schaumburger Nachrichten, vom 5. März 2008
Miegel Tage: Protest bleibt außen vor
Gesellschaft trifft sich zum Gedankenaustausch und zeigt sich unbeeindruckt vom „Lärm vor der Tür“. Der Ablauf der diesjährigen „Agnes-Miegel-Tage“ ist durch die Demonstration am Sonnabend nur unerheblich eingeschränkt worden. In ihrem alljährlichen Treffen machte die Agnes-Miegel-Gesellschaft auch inhaltlich klar, dass diese kein politisches, sondern ein rein literarisches Anliegen hat und sich für weitere historisch-kritische, wahrheitsgetreue Aufarbeitung einsetzt. So widmeten sich die Lesungen im Hotel Hannover der Dichterin als „Weltbürgerin der Poesie“.
BAD NENNDORF. „Leider steht unsere diesjährige Tagung unter unguten Vorzeichen“, thematisierte die Vorsitzende Marianne Kopp in ihrer Begrüßung die angekündigte „Demonstration gegen Agnes-Miegel-Verherrlichung“ (die SN berichteten). Sie verdeutlichte ihr Unverständnis und kündigte im Anschluss an die erste Lesung von Lyriker und Germanist Bodo Heimann aus Kiel den Besuch von Konfliktmanagern der Polizei an. Die gaben den bundesweit angereisten, zumeist älteren Mitgliedern Verhaltenstipps. Zu einer Begegnung mit den Demonstranten kam es allerdings nicht. Vielmehr wurde das dreitägige Treffen zum Gedankenaustausch innerhalb der Gesellschaft genutzt.
Heimann schreckten die Begleitumstände nicht. Der Lyriker freute sich über diese Gelegenheit „zu einem Zeitpunkt, wo Miegel so ins Zentrum der Aufmerksamkeit rückt“. Dennoch verzichtete die Gesellschaft auf das geplante Gedenken am Grab und verlegte die Ansprachen ins Hotel. Grund dafür sei aber das stürmische Wetter gewesen, erklärte Schriftführer Einhart Werhahn. Von dem Protest bekamen die Mitglieder kaum etwas mit, nur am Sonnabend hörten sie vor der Tür „etwas Lärm“.
Den Ablauf der Versammlung störte dies nicht. Deutlich mehr Interesse galt dem Personalwechsel im Vorstand. […]
Weil Gäste aus Kaliningrad verhindert waren, unterhielten Kopp und Jacques zudem am Abend mit einer Lesung und Kammermusik. Die Mitglieder, die überwiegend selbst aus Ostpreußen stammen, schwelgten mit den Versen der Dichterin in Kindheitserinnerungen. „Es war einfach schön“, lobte eine Zuhörerin, alles sei „so bildlich nahe gebracht“ worden. Wohl wissend, dass sich diese Form der Heimatliebe nur allzu leicht ideologisch ausdeuten lässt, gab eine Teilnehmerin zu bedenken, diese Werke seien lange vor dem „Dritten Reich“ entstanden. Die kulturelle Vielfalt in Miegels Gedichten spiegele sich darin wider, dass diese viele historische Epochen von der Kaiserzeit bis zur Bundesrepublik durchlebt habe. […] tes
Presseberichte über die Agnes-Miegel-Tage 2006
Schaumburger Nachrichten, 6.3.06
„Botschaft ist Versöhnung statt Rassismus“
Agnes-Miegel-Tage im Schlösschen/Vortrag über Juden im Werk der Dichterin
BAD NENNDORF.
[…] Zum Auftakt der Tagung referierte Sirgune Piorreck, Tochter von Miegel-Biografin Anni Piorreck, über Juden im Werk der Dichterin. Die Referentin hatte viele Werke Miegels daraufhin durchgelesen und festgestellt, dass vorwiegend Schilderungen von Juden aus dem eigenen Erlebensumfeld vorkommen. Doch auch über Lilith, die wegen Unbeugsamkeit von Gott in die Wüste geschickte Vorgängerin von Eva in einer zweiten Schöpfungsgeschichte, inspirierte Miegel zum Dichten. Von biblischen Figuren hin zu jüdischen Mitmenschen der eigenen Kindheit und Erwachsenenjahre reichte die Bandbreite zunächst bis 1932, als Miegel schon 53 Jahre alt war. „Sie war nie antisemitisch eingestellt, ihre Botschaft ist Versöhnung statt Rassismus“, erklärte Piorreck. In der Zeit des Nationalsozialismus habe sie nicht über Juden geschrieben. Es sei ihr später angekreidet worden, dass sie sich nie gegen die Nazis und deren Antisemitismus gestellt habe. Unter diesem Vorwurf habe Miegel gelitten. 1964 habe ihr eine frühere jüdische Freundin jedoch aus Jerusalem einen Brief geschrieben, der mit dem Wort „Shalom“ (Frieden) begonnen habe. Piorreck: „Das hat sie als Befreiung von einer Fessel empfunden“. Ein halbes Jahr später ist Miegel gestorben.
Kopp dankte der Referentin mit der Verleihung der Medaille der Agnes-Miegel-Gesellschaft und den Worten: „Sie haben hoffentlich ein neues Licht auf das Werk Agnes Miegels geworfen.“ […] dil
Referent Dr. Muhs
Schaumburger Wochenblatt 8.3.06
Leise Töne nach gründlichem Studium
Vortrag über die Darstellung von Juden in Agnes Miegels Werk
BAD NENNDORF (wm). Den Anfangsvortrag bei den Agnes-Miegel-Tagen 2006 hielt Dr. Sirgune Piorreck, Tochter der Miegel-Biografin. Sie hat die Dichterin noch gekannt und begleitet.
Auf ihr Thema „Die Darstellung von Juden in Agnes Miegels Dichtung“ war sie durch Zeilen von 1931 gestoßen, aus denen sich eine Ahnung des Kommenden ablesen lässt (wenn es beschwörend heißt: Tau die Herzen auf, dass wir wieder Brüder sind!)
Agnes Miegel wird die Gabe eines „zweiten Gesichts“ nachgesagt. Aus der Darstellung der Juden formte Frau Dr. Piorreck drei Teile: Arbeiten über biblische Themen (die Dichterin kannte die Bibel sehr genau); eher nebenbei auftretende Gestalten und Symbole in ihren Werken; schließlich eigene, biografische Berührungen.
Die zahlreiche Zuhörerschaft im Schlösschen erfuhr Neues. Dass die Dichterin sich in ihrer kräftigen Sprache zum Beispiel ausgiebig mit der Darstellung alttestamentarischer Menschen befasst hat. Dr. Marianne Kopp flocht in den Vortrag immer wieder Leseproben ein, die das Gesagte verdeutlichten.
In ihren Werken hat Agnes Miegel gern Randfiguren besonders einfühlsam dargestellt, darunter eben auch jüdische Gestalten. Die Leseproben bewiesen ein tiefes Verständnis für den geschichtlichen Umbruch zwischen Judentum und christlicher Welt. Manchmal genügt ein Symbol wie Rembrandts Blick auf die Sabbatkerzen. Agnes Miegel, geb. 1879, wuchs in Ostpreußen in friedlicher Nachbarschaft zu Juden auf. Frau Dr. Piorreck fand in den autobiografischen Texten denn auch nichts Antisemitisches, im Gegenteil, sie zitierte bewundernde Worte über die Schönheit der Jüdinnen und erwähnte aus späterer Zeit enge persönliche Beziehungen. Trotzdem – heute mag es verwirren – hielt sich die Dichterin nach 1933 an die Regeln des NS-Regimes, nach denen es nicht ratsam war, Freundschaften mit Juden einzugestehen. Die Vortragende sah es so: „Der anfängliche Glaube, dass diese Zeit eine Wende zum Guten sei.“ Wie es scheint, hat sich Agnes Miegel hinterher nicht reinwaschen wollen, sondern war sich bewusst, welche Wirkungen ihre Vorbildfunktion erzeugen konnte. Dr. Marianne Kopp meinte zum Schluss: „Dieser Vortrag hat ein neues Licht auf ihre Persönlichkeit geworfen.“ […]
Das Agnes-Miegel-Ensemble sorgte für die musikalische Umrahmung
Schaumburger Nachrichten, 7.3.06
[…] Die Mitglieder haben am Sonnabend der Dichterin gedacht und zu ihrem 127. Geburtstag einen Kranz an ihrem Grab niedergelegt. Während der Gedenkminute rief die Vorsitzende die Beziehung Miegels zu der Dichterin Lulu von Strauß und Torney in Erinnerung, deren Todestag sich im Juni zum 50. Male jährt. Diese sei für Miegel weit mehr als eine Dichterkollegin gewesen, sagte Kopp.
Seit sie sich um die Jahrhundertwende in Berlin begegneten, waren „die beiden Frauen einander nah wie Schwestern“. Die um sechs Jahre ältere Lulu von Strauß und Torney sei für Miegel zunächst ein „bewundertes Vorbild“, bald Freundin, Schwester und Vertraute und letztlich ein „Lebensmensch“ gewesen. Die enge Beziehung habe sich nicht zuletzt in den Werken der beiden widergespiegelt. […] Über fünf Jahrzehnte hinweg hätten sich die Freundinnen geschrieben. Viele der erhaltenen Schriftstücke „zeugen von dem lebhaften, vertrauten Austausch der beiden“ nicht nur über die Dichtkunst, sondern um alle persönlichen Belange.
Lulu von Strauß und Torney heiratete 1916 den Verleger Eugen Diederichs in Jena, in dessen Verlag die meisten Bücher erschienen sind. Als Miegel 60 Jahre alt wurde, gratulierte ihr die Freundin mit einem Gedicht, das die tiefe Verbundenheit beschwört. nach dem Tod Lulu von Strauß und Torneys beschrieb Agnes Miegel ihre Gefühle zu der Freundin in einem Brief an Anni Piorreck. Darin heißt es: „Ja, Lulu war für mich von meinem 20. Lebensjahr an das, was in Schul- und Nachschulzeit Lise für mich bedeutet hatte und blieb es, bis ihre schwere geistige Krankheit uns für die letzten Jahre schlimmer als der Tod schied – der gab sie mir erst wieder zurück!“ […] ede
Vorstand der Agnes-Miegel-Gesellschaft während der Mitgliederversammlung
Schaumburger Wochenblatt 8.3.06
BAD NENNDORF (wm). Zum echten Höhepunkt der jährlichen Veranstaltung für Bad Nenndorfs Ehrenbürgerin wurde die Harmonie von Musik und Wort unter dem Titel „Agnes Miegel und England“. Gedichte, Balladen und Prosa wechselten mit den gemessenen, melodischen Klängen von Henry Purcell und anderen englischen Zeitgenossen des Barock.
Die Veranstalter hatten es an dem Tag schwer: Wegen einer Flugverspätung musste der Nachmittagsvortrag durch eine besondere Lesung ersetzt werden. Auch gegen Abend wartete man noch vergeblich auf den Vortragenden aus London, dafür fand dann die gelungene Kombination aus Miegel-Dichtungen und Musik planmäßig statt – allerdings fiel auch dabei eine der Rezitatorinnen aus. Sibylle Tormin übernahm beide Parts und bewältigte sie mit bewundernswerter Ausdruckskraft.
Die Texte waren so ausgewählt, dass Agnes Miegels Gedichte über England darin vorkamen, dann auch ihre Schilderungen aus England (1901-07). Mit scharfer Beobachtungsgabe, künstlerischer Fantasie und einem Schuss Humor stellt sie die erste Begegnung, als junge Frau, mit dem Inselreich dar, verarbeitet aber zugleich Vorlagen aus der britischen Geschichte und spukhafte Eindrücke von Old England. Bemerkenswert burschikos: die Anklänge von Heimweh bis hin zum Appetit auf Rollmöpse und die Weihnachtssehnsucht (aus einem Rückblik von 1959). Sogar eine unveröffentlichte Ballade (1960) wurde spannend vorgetragen, auch sie spielt in England (Moorland Manor). Klang und Melodie der Verse, bildhafte Sprache und nur geheimnisvoll geahnte Gefühlshintergründe beeindrucken bei Agnes Miegel unverändert jeden empfindsamen Zuhörer. Und doch: Wirken nicht gerade die Balladen wie alte Meistergemälde, die wir bewundernd anschauen, zu denen uns aber Zugang fehlt? Was mag die Dichterin selbst nach Königsberg 1945 empfunden haben, wenn sie „Marie Antoinette und Graf Fersen“ von 1907 wiederlas? Das, was für uns meisterliche Dichtung ist, mag Jüngeren in einer total gedrehten Welt wie Träume aus einer anderen erscheinen. Das „Agnes-Miegel-Ensemble“, fünf Laien (Mitglieder und Freunde der Miegel-Gesellschaft unter Einschluß von Dr. Marianne Kopp, Querflöte), musizierte eindringlich und festlich-feierlich. Stellenweise klang verhaltener Gesang auf.
Der Rahmen des Schlösschens war dafür wie geschaffen. […]
Dr. Kopp fasste zusammen, was die Gäste des Abends empfanden: „Ich sollte ein Schlusswort sprechen, aber mir fehlen die Worte!“ Der Beifall unterstrich es.
Sibylle Tormin rezitiert
Bericht von den Agnes-Miegel-Tagen im März 2004
Bericht aus demSchaumburger Wochenblatt vom20./21. März 2004, S. 26
„E i n B i l d a u s d e r T i e f e d e s V e r l a g s a r c h i v s“
Zum 125. Geburtstag von Agnes Miegel spricht der Enkel ihres Verlegers
BAD NENNDORF. Agnes Miegel wäre am 9. März 125 Jahre alt geworden. Dieses besondere Datum beging die Agnes-Miegel-Gesellschaft mit einer mehrtägigen Reihe von Festveranstaltungen, überwiegend im Hotel Hannover. Es gab Vorträge, Gedicht-Rezitationen, ein Konzert und Offenes Singen.
Bei der zentralen Sonnabend-Veranstaltung verlas die 1. Vorsitzende der Gesellschaft, Dr. Marianne Kopp, die Grußbotschaft des Schirmherrn, Ministerpräsident Christian Wulff. Er stellte darin feinsinnig die Verbindung zwischen der Dichterin, dem Kant-Porträt in ihrem Arbeitszimmer, dem Geist des alten Königsberg und den Aufgaben der Agnes-Miegel-Gesellschaft her: Sie solle einen kritischen und konstanten Dialog führen und die historischen Zusammenhänge bewahren helfen, zumal unsere Zeit mehr und mehr von Geschichtslosigkeit geprägt werde.
Kurdirektor Manthey drückte aus, wie stolz man darauf sei, Agnes Miegel als Ehrenbürgerin und Ehrenkurgast zu führen. Er dankte Frau Dr. Kopp für die Ausrichtung der festlichen Tage. Bürgermeister Battermann war verhindert, für ihn sprach in herzlichen Worten sein Allgemeiner Stellvertreter Richard Allnoch, der die Dichterin selbst gekannt hatte. MdL Dr. Joachim Runkel, ebenfalls verhindert, sandte schriftliche Grüße an die Gesellschaft.
Anschließend würdigte die 1. Vorsitzende die Verdienste Friedrich Deckners und verlieh ihm die Ehrenmitgliedschaft der Agnes-Miegel-Gesellschaft. Deckner, begeisterter Musiker von Kindheit an, Chorleiter, Organist und Komponist, stammt aus Elbing und hat im Laufe seines Lebens, erst in Ostpreußen und später im Nachkriegsdeutschland, viele Texte der Dichterin kongenial vertont. Mehrere Lieder daraus standen im Programm des Festkonzerts, weitere beim Offenen Singen.
Den ehrenden Worten folgte Musik von Vivaldi, vorgetragen von zwei Schlaffhorst-Andersen-Schülerinnen: Barbara Krimm (Klavier) und Dorothea Pomsel (Cello).
Den Festvortrag hielt Ulf Diederichs (Foto:S.Piorreck) aus der Enkelgeneration von Agnes Miegels Verlag. Er zeichnete anhand des im Archiv erhaltenen Briefwechsels zwischen der ostpreußischen Dichterin, ihrem Verleger Eugen Diederichs und Lulu von Strauß und Torney (Agnes‘ Freundin, zeitweise auch Lektorin) das Bild einer Persönlichkeit aus Fleisch und Blut, das denjenigen, der nur das hehre Bild von ihr kennt, überraschen muss. Da steht vor uns die Säuglingsschwesterschülerin mit ihrem Verhältnis zu Börries Freiherr v. Münchhausen (des „Homme à femmes und als Homme des lettres“). Die Zeit der ersten Erfolge, als im literarischen Berlin Balladen in Mode kamen. Not, Krankheit, depressive Phasen, Mangel an schnödem Geld, redaktioneller Ärger, aber auch der ausgeprägte Sinn für die komischen Seiten des Lebens. Dazwischen immer wieder – auch in den Briefen – die beeindruckende poetische Formulierungskraft.
Mit der vorzugsweisen Darstellung der Jahre von 1907 bis etwa 1927 distanzierte sich der Vortragende – „unter Germanisten“, wie er meinte – von der Figur, die Prof. Dr. Acar aus Istanbul am Vortage entworfen hatte: einer Nachkriegs-Miegel als Symbol für Vertreibung, verlorene Heimat und Deutschtumsansprüche. Für ihre umstrittenen Jahre dazwischen weckte er anhand von Dokumenten das rechte zeitgeschichtliche Verständnis – ein Unternehmen, das mehr Tiefgang erfordert, als sonst dafür aufgewandt wird.
Die Hiesigen unter den vielen Gästen erfreuten sich an mancherlei Zeilen, die Agnes Miegel der „geliebten kleinen Heimat meines Herzens“ gewidmet hat. Wer wußte, daß sie schon vor ihren frühen Apelern-Besuchen einmal zur Erholung in Nienstedt/Deister weilte?
Den Zuhörern war der Festvortrag ein Gewinn. Die Agnes-Miegel-Gesellschaft wiederum hat diesmal ganz von selbst ihren Auftrag (lt. Wulff: kritischer, konstanter Dialog) angepackt, indem nämlich über kontroverse Standpunkte einmal offen geredet wurde – von zwei Literaturexperten. Kein Grund, sich über das öffentliche Echo zu grämen.
Bericht vom Agnes-Seminar im Oktober 2003
Agnes-Miegel-Seminar mit hochkarätigen Vorträgen
Vom 10. bis zum 12. Oktober 2003 fand im Ostheim in Bad Pyrmont ein Agnes-Miegel-Seminar statt. Über vierzig Teilnehmer hatten sich eingefunden und bekundeten ihr ernsthaftes Interesse, sich ein ganzes Wochenende intensiv mit Agnes Miegels Leben und Werk auseinanderzusetzen. Tatsächlich beleuchteten die einzelnen Vorträge neue Aspekte und Sichtweisen, die über das allgemein Bekannte hinausreichten, neue Denkanstöße oder Einsichten vermittelten und in jedem Fall dazu anregten, die Werke der großen Dichterin wieder zur Hand zu nehmen und neu zu entdecken.
Märchenhaft war der Auftakt des Seminars, als die Märchenpädagogin Sabine Crone ihr Publikum in die ostpreußische Märchenwelt entführte. Wortgetreu erzählte sie zunächst ein Schwanenmärchen, das sie gemeinsam mit ihrem Mann Dr. Holger Crone musikalisch umrahmte. Agnes Miegels Gedicht „Der Tan“ stimmte auf den Höhepunkt des Abends ein: Agnes Miegels Märchendichtung „Die weißen Tauben“ handelt von zehn Schwestern, die den Tanz über alles lieben und an einem Abend gleichzeitig an der Pest sterben. Einige Generationen später begegnet ihnen ein Blutsverwandter noch einmal, dem sie sich in Taubengestalt bemerkbar machen. Dies Kunstmärchen im Volkston nötigte den Zuhörern gleichermaßen Respekt ab vor der Gestaltungs- und Sprachkunst der Dichterin sowie der Sprechkunst der Vortragenden. Panflötenklänge, keltische Harfe, Gesang, Gitarre und Blockflöte unterstützten wiederum behutsam die Aussage und Atmosphäre des Erzählten. Am nächsten Tag ging es dann richtig „zur Sache“ . Da die vorgesehene erste Referentin. Dr. Simone Winko, erkrankt war und kurzfristig hatte absagen müssen, sprang Dr. Marianne Kopp, die 1. Vorsitzende der Agnes-Miegel-Gesellschaft, mit einem Ersatzvortrag ein und schilderte den Weg des Kindes Agnes zur Kunst. An verschiedenen autobiographischen Äußerungen zeigte sie die dichterischen Anfänge des jungen Mädchens, das schon früh mit großer Dichtung bekannt wird, den Zauber von Sprache und Metrik mit allen Sinnen erlebt und unsicher tastend erste eigene Verse verfasst. Nachdem sie von Lehrerin und Familie zunächst nicht ernst genommen wird und zeitweise selbst heftig an ihren Fähigkeiten zweifelt, wächst nach und nach ihr eigener hoher Anspruch an Lyrik, und sie findet zu ihrem ganz eigenen, unverwechselbaren Stil, wie er in ihrem Aufsehenerregenden ersten Gedichtband 1901 bereits die Kritiker und Leser begeistert.
Anschließend befasste sich Dr. Bodo Heimann mit den Motiven von Natur und Mythos in Agnes Miegels Lyrik. Unter dem Motto ? Die Die Erde spricht? (wie ein Gedicht überschrieben ist) untersuchte er die mythischen und naturmagischen Elemente in zahlreichen Gedichten und Balladen und bezog auch die vielfältigen poetischen Formen mit ein. So ist der zärtliche Heimatgesang mit dem Titel ? Mut Mutter Ostpreußen? im im klassischen Versmaß von Hexametern und Pentametern geschrieben, selbst die Zitate in der ostpreußischen Mundart fügen sich reibungslos ein. Von verschiedenen Nuancen in der Personifizierung der Erde bis zu vorchristlichen Elementen in den frühesten Gedichten reichten die Gedankenverknüpfungen und Analysen des Kieler Universitätsgermanisten.
Das Thema des nächsten Vortrags war die Bedeutung der Webkunst im dichterischen Werk Agnes Miegels. Dr. Marianne Kopp bezog sich auf eine Reihe von Texten, in denen Agnes Miegel die Webkunst zum Thema macht und zumeist als Sinnbild darstellt. Diese umfassen u.a. eine feuilletonistische kleine Kulturgeschichte des Webens, Erinnerungsbilder aus der Kindheit der Dichterin, das Gedicht „Wunderbares Weben“ (worin Gott das Schicksal der Menschen webt) und gipfeln in der großen Versdichtung „Arachne“ , die Agnes Miegel nach der antiken Stoffvorlage in sehr eigener Weise gestaltet. Dr. Kopp versuchte, den Inhalt dieser schwierigen, bisher noch nie eingehend untersuchten Dichtung aufzuschlüsseln und verständlicher zu machen, ging auf kulturgeschichtliche Hintergründe und mythologische Andeutungen ein und zeigte, wie Agnes Miegel die berühmte Weberin zu ihrem eigenen Dichtertum in Beziehung setzt.
Dr. Sirgune Piorreck, die Tochter von Agnes Miegels Biographin Dr. Anni Piorreck, las Auszüge aus den (unveröffentlichten) Briefen vor, die die Dichterin während der Monate in Apelern und in den ersten Nenndorfer Jahren an ihre Mutter gerichtet hatte. Besonders hob sie dabei die schönen Formulierungen und bemerkenswerte Details hervor und illustrierte, wie lebendig und oft humorvoll Agnes Miegel sich äußerte, selbst wenn sie sich gar nicht wohl fühlte.
Ein ganz neues Thema hatte die junge polnische Germanistin Dr.Wioletta Knütel recherchiert „Agnes Miegel aus polnischer Sicht“. Die ostpreußische Dichterin ist in Polen kaum bekannt, und nichts von ihren Werken wurde ins Polnische übersetzt. Laut den Richtlinien des Ministeriums gehören ihre frühen Balladen zwar zur Pflichtlektüre für Germanistik-Studenten, aber nur ganz wenige polnische Literaturwissenschaftler haben sich mit ihrem späteren Werk befasst. Erst in den 90er Jahren nahm Prof. Namowicz Agnes Miegel genau unter die Lupe und betrachtete sie als Dichterin des Grenzlandes, von deren Werk nur weniges für den Nationalsozialismus verwendbar war. Noch heute wird Agnes Miegels Werk in Polen sehr kaum wahrgenommen.
Der letzte Vortrag befasste sich mit einem Aufsatz von Apollinaria Suewa, der Kaliningrader Lyrikerin und Übersetzerin poetischer Texte.
Brigitte Schulze, die etliche Gedichte der russischen Lyrikerin ins Deutsche übertragen hatte, hat sich ihres Aufsatzes über das Miegel-Gedicht „Abschied von Königsberg“ angenommen. Die sprachliche Analyse kreist immer wieder um Gedanken zu einer adäquaten Übersetzung des Gedichtes. Apollinaria Suewa entdeckte, dass die Melodie einer Sarabande von J.S. Bach zu den Anfangszeilen des Miegel-Gedichtes passt und glich ihre Übersetzung ins Russische dem deutschen Rhythmus genau an, der die Stimmung und Atmosphäre des kreisenden Todestanzes unterstützt.
Die Vielfalt der Themen und Referenten weckt Zuversicht, dass auch in heutiger Zeit Agnes Miegels Werk Leser, Künstler und Forscher nachdrücklich zu einer eingehenden Beschäftigung einlädt und Früchte zeitigt, die in die Zukunft tragen.
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